Nord- und Süditalien: Echte Abneigung oder bloß ein Irrglauben?

Man liest es immer wieder in den Medien, wenn auch seltener als in früheren Jahrzehnten: Die Norditaliener können die Süditaliener nicht ausstehen! Stimmt das? Gibt es echte Ressentiments oder ist das eher eine Spielerei wie zwischen Bayern und den sogenannten Preußen?

Der Unterschied zwischen Norden und Süden

Zuerst sollte man den geschichtlichen Hintergrund betrachten. Italien war ja bis in die Mussolini-Zeit weitgehend ein Agrarland. Nennenswerte Industrie gab es nur im Norden des Landes, vornehmlich in den Städten Mailand und Turin, wobei sich nach und nach der ganze Norden industrialisierte. Wie in allen europäischen Ländern boomte die Industrie und es herrschte Mangel an Arbeitskräften.

Der unterentwickelte Süden hatte wenig zu bieten: viel Korruption und ein hartes Leben als Tagelöhner, in Pacht lebender Bauer oder, im besten Fall, als Landwirt mit eigenem Besitz. Letzteres war jedoch eher selten, zumal die Ländereien vornehmlich dem Adel gehörten. Die Höfe wurden demnach verpachtet, bis zu 50% der Ernte musste abgegeben werden. Das galt übrigens nicht nur für Süditalien, sondern auch für die meisten Regionen Mittelitaliens wie etwa die Toskana.

Während es vor der Industrialisierung keine Animositäten zwischen Nord- und Süditalienern gab, nahm dieses Phänomen zu, nachdem über einen langen Zeitraum ein beträchtlicher Teil der Bewohner des Südens in den prosperierenden Norden zogen. Dort wurden sie jedoch aufgrund ihrer etwas altmodischen Art und unverständlicher Dialekte von vielen Norditalienern schief beäugt. Außerdem brachten sie die Mafia mit, die bis dato ein Phänomen des Südens war.

Politische Entwicklung

Die Gründung der separatistischen Partei “Lega Nord” war eine Reaktion auf diese Entwicklung. Anfangs richtete die Lega ihre Bestrebung auch vorwiegend auf eine Abtrennung des Nordens vom Süden.

In der Zwischenzeit hat sich die Lage jedoch deutlich entspannt. Die Norditaliener fahren gerne in den Süden zum Urlauben und lieben die Küche und die Gastfreundschaft der Süditaliener. Diese profitieren wiederum vom allgemeinen Reichtum des Landes, gute Ausbildung ist nicht mehr unerreichbar und die meisten Süditaliener haben auch ein gesundes Selbstbewusstsein, gibt es doch keinen Grund, sich für diese Herkunft zu schämen. Weiterhin haben sich die Millionen im Norden lebenden Süditaliener in den vergangenen Jahrzehnten mit der einheimischen Bevölkerung vermischt.

So hat auch die Lega Nord inzwischen andere Prioritäten wie Kritik an der EU, dem Euro und der Einwanderung aus Nordafrika. Separatistisch ist die Partei jedoch geblieben. Nicht wegen des Südens, nein, der Unmut richtet sich heute vielmehr gegen Rom, für viele der Grund allen Übels in Italien mit seiner starren und ineffizienten Bürokratie.

Italien

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